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Der Wagen kommt an

Bericht im Sachsenwaler (07/2020)

Liste #05/2020: Was mal werden sollte und was dann geworden ist.


  • Die DDR wollte den Westen einmal „überholen ohne ihn einzuholen.“ Daraus ist nichts geworden.

  • Musiker wollte ich werden, oder Orgelbauer.Geworden bin ich Pastor.

  • Am 21.12.2012 sollte die Welt untergehen, weil ein Maya-Kalender an dem Tag endete. Nunja… So ist das mit Kalendern und mit Plänen.


„Wann kommt er?“

„Freitag. Nachmittags, um drei.“

„Gut. Dann können wir bis dahin in Ruhe einpaar Dinge organisieren.“

So dachten wir. Und dann war es Freitag. Undes war vormittags halb zehn und mein Telefonklingelte: „René, der Bauwagen ist da!“ Es war die Stimme unserer Kirchengemeinderatsvorsitzenden Frau Probst. Sie saß gerade in einer Sitzung des Kita-Ausschusses. Ich selbst saß am Schreibtisch. Und die Jugendlichen, die den Bauwagen in Empfang nehmen wollten, saßen irgendwo anders und taten andere Dinge. Und jetzt?

„Ich mach‘ das.“, sagte ich, legte auf und hatte keine Ahnung, was genau ich machen sollte. Aber irgendwo muss man anfangen. Also rief ich zuerst den „Lieferanten“ an und schlug ihm vor, er könne doch vielleicht eine Tasse Kaffee beim Bäcker genießen. Er brauche sicher eine Pause. „Sie können ruhig auch zwei Tassen trinken. Ich melde mich.“, sagte ich. Dann: Nele anrufen. „Nele, was machst Du? Der Bauwagen ist da!“ Nach einer kleinen Pause hörte ich ein „Ähm…!“ Aber schon ihr zweiter Satz war: „Ich schreibe die Jugend an.“ Danach habe ich in zehn Minuten noch weitere drei Mal gesagt: „Der Bauwagen ist da!“ Und weitere drei Mal hörte ich am anderen Ende der Leitung: „Ähm…! Ich informiere die anderen.“Und dann waren sie alle da: die beiden Kirchengemeinderatsvorsitzenden aus Aumühle und Wohltorf, die beiden Pastoren, die Chefin des Aumühler Friedhofsteams, Vertreter aus dem Jugend- und Bauausschuss, aber vor allem natürlich die Jugendlichen, für die der zehn Meter lange, ausrangierte Zirkuswagen bestimmt ist. Die Freude war groß. Die Stimmung war super. Fotos und Videos wurden gemacht. Es gab Waffeln und wunderbare ungesunde Limonade.Und es gab zwei weitere Probleme:

1. Der Wagen steht an der falschen Stelle.

2. Der Mannmit der Zugmaschine war schon auf dem Wegnach Hause. (Wer hatte das eigentlich erlaubt?)

Wieder hieß es: Und jetzt? Da machte sich Toni auf zur Baustelle auf der Straßenseite gegenüber. Nach ein paar Minuten kamen zwei Bauarbeiter mit einem Radlader,die es mit unglaublicher Ausdauer und Vorsicht schafften, den Wagen rückwärts (!) auf seinen vorgesehenen Platz neben dem alten Friedhofsgeräteschuppen einzuparken. Personen, Kirche, Schuppen, Wald und Rhododendren blieben unverletzt. Für mich, der ich mit dem Auto schon nicht einparken kann, ist das durchauswie ein Wunder.

 

Die Menge applaudierte. Die Bauarbeiter strahlten und sagten, wir sollen uns wieder melden, wenn wir ihre Hilfe brauchen. Wenn sie in der Nähe sind, kämen sie vorbei. Was für eine Aktion! Da machst Du Pläne, sortierst alles fein in deinen Kalender, bereitest vor und organisierst. Und dann kommt alles ganz anders. Aus dem Plan wird Improvisation. Der Kalender ist nur noch ein überfülltes Stück Papier. Die Vorbereitung kannst Du vergessen. Und mit der Organisationkannst Du nochmal von vorne anfangen – nur dieses Mal von jetzt auf gleich mit wenig Zeit. Das Leben kann wild sein und unberechenbar. Und es kann unglaublich schön sein. Nämlich dann, wenn es Menschen gibt wie Nele, Toni und die Bauarbeiter, Felix, Maren, Frede, Friederike, Jette, Dominique und Britta und nochviele andere mehr, wenn Menschen da sind, die sich gegenseitig durch das Durcheinander tragen, das Leben heißt. So soll Kirche sein. Und so ist sie sichtbar geworden, für mich jedenfalls, an diesem Freitag, vormittags, halb zehn. Was mal werden sollte und was dann geworden ist?


  • Ein Brot wollte ich backen. Es wurde dann soetwas wie ein Frisbee.

  • Ein Buch wollte ich mal schreiben. Es sindPredigten geworden.

  • Gut sollte es werden. Denn Habe ich dir nicht geboten: Sei getrost und unverzagt? Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der Herr dein Gott ist mit dir, in allem, was du tun wirst. (Jos 1,9)


Und es wurde wirklich gut!

  • Pastor René Enzenauer, Wohltorf
Dieser Artikel im Sachsenwalder

Der hier abgetruckte Text erschien im Juli 2020 im Sachsenwalder.

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Das Leben kann wild sein und unberechenbar. Und es kann unglaublich schön sein. Nämlich dann, wenn es Menschen gibt wie Nele, Toni und die Bauarbeiter, Felix, Maren, Frede, Friederike, Jette, Dominique und Britta und nochviele andere mehr, wenn Menschen da sind, die sich gegenseitig durch das Durcheinander tragen, das Leben heißt.

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René Enzenazer

Pastor in Wohltorf